Christa W. – die Zuversichtliche

Wolle, Kleber und Schere, große Pappen in vielen Farben, Klarsichthüllen mit kleinen Bastelarbeiten: Christa W. empfängt mich in ihrem kleinen „Büro“, ein Zimmer am Ende des Flurs unten im Heim, das mehr oder weniger ein Allzweckzimmer ist. „Schaun Sie mal, hier, die kleinen Blümchen!“, sagt sie und zeigt mir einen Karton voller bunter Blüten, die sie im Frühling gebastelt hat und in diesem Raum für das nächste Jahr verwahrt.
Die 78-Jährige ist hier in ihrem Element. Gerade arbeitet sie an Schablonen für die Bewohner des Hauses. „Ich zeichne das schon mal vor, dann ist es nachher nicht mehr so schwer für die alten Leutchen“, sagt sie. „Die freuen sich so, wenn ihnen etwas Schönes gelingt.“

Christa ist keine Bewohnerin, sie hat ein kleines Apartement gemietet, das zur Anlage gehört und fühlt sich dem Heim eng verbunden. Es macht ihr richtig Spaß, den Andachtsraum zu dekorieren und die vielen Fenster zu schmücken. Die Alten sollen es schön haben auf ihre alten Tage. Dazu möchte sie beitragen. Die Mitarbeitenden schätzen ihr Engagement. Und manchmal ist so schon fast so etwas wie eine Kollegin.

Mit dynamischen, leicht federnden Schritten geht die schmale Frau durch die Flure. Sie kennt jeden, grüßt freundlich, bleibt kurz stehen, erkundigt sich nach dem Befinden. Sie wirkt jung zwischen den Alten.

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Sie ist froh über ihr kleines „Büro“ im Heim. „Ich selber hab nur 25 Quadratmeter, ich kann das Material gar nicht mehr lagern“, erzählt sie. Ein Bett, ein Schrank, ein winziger Sekretär – das war‘s dann schon fast. „Ich musste vieles weggeben“, sagt sie: das gute Villeroy & Boch-Geschirr, geliebte Möbel, Bücher – sie hat kaum mehr als die Erinnerungen ihres Herzens mitnehmen können. Erinnerungen an eine glückliche Ehe mit ihrem Mann, der Hochseefischer war und vor 13 Jahren starb, Erinnerungen an gute Jahre mit ihm in einem Reihenhaus in den Niederlanden, an glückliche Kinderzeiten ihres Sohnes und an Aufgaben, die sie längst abgegeben hat.

Warum ist sie hier? „Mein Herz macht nicht mehr gut mit“, sagt sie. Sie weiß nie, wie es ihr morgen geht. Im Moment kann sie Vieles, ein andermal ist sie schwach und pustig. Sie fühlt sich sicher in der Wohnanlage, wenn etwas sein sollte, weiß sie, an wen sie sich wenden kann. „Ich kann das nur jedem empfehlen.“

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In ihrem Zimmer ist es fast zu eng für Besuch. Christa hat für mich Kaffee gekocht, das Stativ quetschen wir zwischen Bett und Sekretär. Ein bisschen wie meine erste Studentenbude, denke ich. Ich entdecke ein Paar Holzpantinen, die an Holland erinnern. Ein Bild von ihrem Schiff, das bei einem Brand verloren ging, hängt an der Wand. Und zwischen den Blumen ein Foto von ihrem verstorbenen Ehemann. „Manchmal rede ich noch mit ihm“, sagt sie, „ist das nicht seltsam?“ Und dann lacht sie, als wäre das ein Grund, sich zu schämen.

Sie zeigt mir, wie wenig es zum Zufriedensein braucht. Die Wollreste meiner Mutter, ja, darüber würde sie freuen! Sie weiß aus allem etwas Schönes zu machen. Und vergisst nicht, mir eine Postkarte für meine Mutter mitzugeben, die seltsamerweise wie für sie gemacht ist.

Christa bringt mich zum Auto und winkt mir nach. Dann geht sie mit ihren so jugendlichen Schritten zurück in ihr noch so junges Zuhause. Sie ist eine, die aus allem, auch aus dem Schlimmsten, noch Gutes schaffen kann und will.

Christa

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